Sind die Bürgerlichen am Durchdrehen?

Medienmitteilung des vpod region basel 

Mit einem Potpourri an parlamentarischen Vorstössen geben bürgerliche Politiker im Kanton Baselland derzeit ihrer Geringschätzung des Kantonspersonals Ausdruck und versuchen, dafür die sich anbahnende Sauregurken-Zeit zu nutzen. Eine nähere Analyse der Vorstösse zeigt jedoch: Die ersten warmen Sommertage haben bei den Autoren offensichtlich zu einer geistigen Überhitzung geführt.

Am 16. Juni 2016 brannte den freisinnigen Landräten Michael Herrmann und Rolf Richterich als ersten die Sicherung durch und sie reichten gleich drei Motionen ein, mit denen sie die Leistungen der seit 2015 neu aufgestellten Basellandschaftlichen Pensionskasse verschlechtern wollen. In echter Wadenbeissermanier hängte ihr freisinniger Landratskollege Balz Stückelberger dabei eine Motion an mit dem Ziel, das kantonale Kündigungsrecht selektiv aus dem Personalgesetz herauszubrechen und den Minimalvorschriften des Obligationenrechts anzugleichen.

Vierzehn Tage später erfasste die kurze Hitzewelle auch den SVP-Landrat Hanspeter Weibel und er reichte, zusammen mit mehreren Leidensgenossinnen und –genossen, zwei parlamentarische Initiativen ein, deren eine die Beitragsleistungen des Kantonspersonals an die BLPK erhöhen will, während die zweite Staatsangestellten (wieder einmal) das passive Wahlrecht für den Landrat entziehen will.

Nun ist es natürlich das Recht und bis zu einem gewissen Grad auch die Aufgabe eines jeden Parlamentsmitglieds, die Verwaltung und das Parlament mit politischen Vorstössen zu beschäftigen. Politischer Anstand und Respekt vor den Betroffenen und den SteuerzahlerInnen verlangen jedoch eine vorgängige politische und wenn möglich auch juristische Reflexion und Abwägung, die in den vorliegenden Fällen mit Sicherheit nicht stattgefunden hat.

Hätten die Herrmann, Weibel, Stückelberger und Konsorten dies nämlich getan, hätten sie vermutlich von einer Einreichung der Vorstösse abgesehen, und dies aus folgenden Gründen:

  • Der erste Vorstoss (Motion) Herrmann hat zum Ziel, die Arbeitgeberreserve ausser Kraft zu setzen und die Arbeitnehmerseite im Falle einer PK-Sanierung entsprechend höher zu belasten. Hätte Herr Hermann nachgedacht, hätte er sich daran erinnert, dass die Arbeitgeberreserve bei der PK-Gesetzesdebatte durch den bürgerlich dominierten Landrat nachträglich eingeführt wurde und zwar nicht zuletzt darum, weil sie aufgrund der momentanen Geldmengensituation die Steuerzahlenden überhaupt nicht belastet.
  • Der zweite Vorstoss (Motion) Herrmann hat zum Ziel, die Rückstellungen in den Rententeuerungsfonds abzuschaffen. Hätte Herr Hermann nachgedacht und etwas recherchiert, dann hätte er realisiert, dass das BVG eine Teuerungsanpassung der Renten vorschreibt (wenn es denn eine Teuerung gibt!), und die Kassen daher verpflichtet sind, entsprechende Rückstellungen zu machen.
  • Der dritte Vorstoss (Postulat) Herrmann verlangt eine Senkung des technischen Zinssatzes sowie eine allfällige Reduktion des Leistungsziels der BLPK. Hätte Herr Herrmann nachgedacht und recherchiert, dann hätte er realisiert, dass die Festsetzung des technischen Zinses bzw. die Verzinsung des Sparkapitals neu Sache der Pensionskasse bzw. der Vorsorgekommission sind, sich also dem Einfluss des Regierungsrates weitgehend entziehen.
  • Der Vorstoss (Motion) Stückelberger geht von der irrigen Annahme aus, dass „das geltende Kündigungsrecht zu einer faktischen Unkündbarkeit von Staatsangestellten führt“ und daher dem OR angeglichen werden soll. Hätte Herr Stückelberger nachgedacht und vielleicht sogar einmal die geltenden Gesetzesbestimmungen gelesen, dann hätte er realisiert, dass diese insgesamt 12 Paragrafen enthalten, die beschreiben, dass und wie Staatsangestellten gekündigt werden kann und dabei lediglich in drei Buchstaben festgelegt ist, unter welchen Umständen keine Kündigung erfolgen darf – wobei interessanterweise diese drei Buchstaben auch im OR enthalten sind.
  • Die erste parlamentarische Initiative Weibel und Konsorten will das Pensionskassendekret dergestalt ändern, dass die Prämienbeiträge der Arbeitnehmenden aufs gesetzliche Maximum erhöht werden. Hätte Herr Weibel nachgedacht, dann hätte er sich daran erinnert, dass der bürgerlich dominierte Landrat im geltenden Dekret die derzeitige Prämienaufteilung explizite genehmigte und zwar nicht zuletzt, um ein Referendum gegen das Pensionskassengesetz seitens der Arbeitnehmerverbände zu vermeiden. Jetzt, kaum anderthalb Jahre nach Einführung des neuen PK-Gesetzes, dieses Zugeständnis mit dem Instrument einer parlamentarischen Initiative wieder abzuschiessen, ist ein Akt politischer Feigheit ohnegleichen!
  • Und zu unguter Letzt schiessen Weibel und Konsorten gleich ein zweites Mal aus dem Hinterhalt, indem sie wieder einmal versuchen, den Staatsangestellten das passive Wahlrecht für den Landrat abzusprechen. Hätte Herr Weibel nachgedacht, hätte er sich wohl daran erinnert, dass der Landrat sich in früheren Zeiten bereits klar gegen solche rechtliche Ungleichbehandlungen ausgesprochen hatte, und das Bundesgericht bereits eine weitaus gemässigtere Ausstandsregelung als rechtswidrig taxiert und aus dem Landratsgesetz entfernt hatte. Dies ist wohl auch der Grund, weshalb es sich bei den unterzeichnenden MitfahrerInnen dieser politischen Geisterfahrt vorab um Hinterbänkler der SVP-Fraktion handelt.

Fazit: Relevanz und die Erfolgsaussichten der bürgerlichen Sommerloch-Vorstösse sind umgekehrt proportional zum Zeitaufwand, den sie der Kantonsverwaltung und dem Landrat absehbar bescheren dürften. Doch wie gesagt: Es ist bis zu einem gewissen Grad die Aufgabe eines jeden Parlamentsmitglieds, die Verwaltung und den Landrat mit politischen Vorstössen zu beschäftigen – aber eben nur bis zu einem gewissen Grad, und der ist in den vorliegenden Fällen mit Sicherheit überschritten!

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