Baselbieter SP zeigt sich kämpferisch
Die Spitze der Sozialdemokratie gab sich am 1. Mai ein Stelldichein in Sissach
Von Daniel Aenishänslin
Sissach. Die Baselbieter SP gab sich gestern am 1. Mai kämpferisch. «Stopp der Sparschweinerei» und «Solidarität statt Ausgrenzung» schrie es von den Plakaten, welche die Partei an ihrer 1.-Mai-Kundgebung durch Sissach trug. Im prallvollen Jakobshof schworen sich die Genossinnen und Genossen auf die kommenden Abstimmungen und eidgenössischen Wahlen ein. Für den in der Nacht auf gestern verstorbenen ehemaligen SP-Generalsekretär und -Nationalrat André Daguet hielt die Versammlung eine Schweigeminute ab.
Andreas Giger, Landrat und Präsident der Baselbieter Gewerkschaftsbunds, freute sich über den Andrang und mahnte zugleich: «Für die kommenden Wahlen ist eine kämpferische Stimmung wichtig, denn es weht uns ein inhaltsloser, egoistischer, bürgerlicher Sturm heftig entgegen.» Die Mitstreiter müssten sich «warm anziehen» und gemeinsam mit Referenden und Initiativen für Bewegung sorgen.
Bestens gelaunt, aber an Stöcken gehend, erschien Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer in Sissach. Sie hatte sich einen Meniskusschaden auf der Skipiste zugezogen. Die Diskussion über ihre Zweitwohnung in Valbella scheint indessen zumindest parteiintern versiegt zu sein. Deutlich sprach sie sich aus für eine Zusammenarbeit mit der EU wie bisher: «Die Bilateralen müssen bestehen bleiben.» Die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative «stellt uns vor fast unlösbare Probleme». Zuwanderung durch Kontingente zu steuern, sei ein «bürokratisches Monster». Gleichzeitig plädierte Leutenegger Oberholzer dafür, dass das Potenzial an Schweizer Arbeitskraft ausgeschöpft wird.
Kritik an Jordans Entscheid
Kein gutes Haar liessen die Rednerinnen und Redner an Thomas Jordans Entscheid, den Euro-Mindestkurs aufzuheben. Für Susanne Leutenegger Oberholzer eine «gesetzeswidrige» Handlung. «Unter Druck der Spekulanten, ohne jegliche demokratische Kontrolle.» Damit werde ein Vorwand fabriziert, um neue Deregulierungspakete zu schnüren, Druck auf Arbeitsbedingungen zu machen und auch die Energiewende zu bekämpfen. Shootingstar Samira Marti sprach von einer «bürgerlichen Schockstrategie, um neoliberale Werte durchzusetzen». Aufgrund des grossen Applauses für die junge Nationalratskandidatin darf davon ausgegangen werden, dass die Genossen in Marti eine Hoffnungsträgerin für künftige Politschlachten sehen. Alain Carrupt, Präsident der Gewerkschaft Syndicom, sagte mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses – «ein katastrophaler Fehlentscheid» – würden viele Firmen in die Enge getrieben. Den Druck reichten diese an die Arbeitnehmenden weiter.
Carrupt prangerte eine Politik an, «die Steuergeschenke an Reiche verteilt, während sie die Rechte der Arbeitnehmer aushöhlt». Er empfahl, vor den Wahlen im Herbst genau zu prüfen, welche Verbindungen die Kandidaten haben und pflegen. «In unserem Parlament sitzen zu viele Leute, die schlicht Profiteure der Lohndiskriminierung sind.» Alain Carrupt versprach, auch die nächsten Privatisierungs- und Liberalisierungswellen zu bekämpfen. Als einen Weg zu gerechterer Verteilung sieht er die Reform der Erbschaftssteuer, die im Juni an die Urne kommt. Eine Reform, die von Leutenegger Oberholzer als «urliberales Postulat» bezeichnet wurde.
Gegen «Sündenbockkultur»
Samira Marti richtete markige Worte an die SVP. Diese habe eine «Sündenbockkultur» erschaffen und Fremdenfeindlichkeit «salonfähig» gemacht, und neuerdings greife die SVP die Menschenrechte an. Wie Alain Carrupt vertrat Marti die Auffassung, die Schweiz werde durch das Schüren von Ängsten regiert. Gesetze kriege man durch, indem mit dem Verlust von Arbeitsplatz und Identität gedroht werde. «Zu oft haben wir uns schon Angst einjagen lassen», bemängelte der Romand.
«Die bürgerliche Politik wird uns ins Desaster führen», kam SP-Co-Präsidentin Regula Meschberger auf die kantonale Politik zu sprechen. Sie verwies auf das Budgetdefizit, das dreimal höher ausgefallen ist als erwartet. Die Bürgerlichen hätten die Zahlen vor den Wahlen absichtlich geschönt, um keine Wähleranteile zu verlieren. Leutenegger Oberholzer wollte die Gründe für die Wahlschlappe jedoch nicht alleine darin sehen. «Die letzten Wahlen haben gezeigt, was es heisst, wenn wir uns auseinanderdividieren lassen.»
«Ausgrenzung schadet der Gesellschaft»
Der 1. Mai in Basel stand im Zeichen des starken Frankens
Von Rolf Zenklusen
Basel. «Sali, gehst du demonstrieren?», fragte eine Frau einen offensichtlich guten Bekannten am Claraplatz. «Ja, ich setze mich ein für die Arbeiter», gab er zur Antwort. «Das ist gut, es sind ja viele Leute arbeitslos», meinte die Frau noch, bevor sie in Richtung Messeplatz blickte, wo der 1.-Mai-Demonstrationszug bereits im Anmarsch war. Gemächlichen Schrittes zogen die Demonstrantinnen und Demonstranten durch die Clarastrasse, begleitet von Böllerschüssen, Leuchtraketen und Musik.
Linke Spitzenpolitiker und Gewerkschafter, darunter Brigitte Hollinger, Präsidentin der SP Basel-Stadt, SP-Nationalrätin Silvia Schenker, SP-Grossrätin Toya Krummenacher und ihr Amtskollege Mustafa Atici sowie BastA!-Co-Präsidentin Tonja Zürcher führten den Demonstrationszug an und trugen ein Transparent mit der Aufschrift «Solidarität statt Ausgrenzung». Etwas weiter hinten marschierte auch SP-Nationalrat Beat Jans mit.
Man hörte den Gesang der «Internationalen», begleitet von Akkordeonklängen und einer Trommel. «Lass das Glotzen sein, reih dich in die Demo ein!», wurde weiter hinten lautstark skandiert. Die Jungsozialisten (Juso) schwenkten ihre Rosenfahnen; «jung und gehaltbereit» haben sie auf ihr Transparent eschrieben. «Diese Herren gefährden unsere Jobs», stand auf einem Transparent mit den Köpfen des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank. Und die Gewerkschaft VPOD wehrte sich mit dem Leitsatz «Wir stopfen euer 70-Millionen-Loch nicht» gegen das Sparprogramm der Basler Regierung.
Parolen gegen die Manor-Bosse
Vor der Manor an der Greifengasse lösten sich plötzlich vermummte und maskierte Gestalten aus dem Manifestationszug, stiegen aufs Vordach und entrollten ein Transparent mit dem Slogan «Keine Entlassungen! Solidarität mit der Manor-Belegschaft». Die Chaoten verschmierten danach die Schaufenster der Manor und überklebten sie mit Parolen gegen die Manor-Chefs.
Im strömenden Regen zogen die rund 1300 Demonstranten zum Marktplatz, wo Toya Krummenacher, Präsidentin des Basler Gewerkschaftsbundes, die «gewinnmaximierenden, kriminellen Unternehmer» an den Pranger stellte. Die politische Rechte schüre Ängste, demontierte die Solidarität und proklamiere die Ausgrenzung, unterstrich Krummenacher. Vania Alleva, Vizepräsidentin des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) und Unia-Co-Präsidentin, übte harsche Kritik am Entscheid der Schweizerischen Nationalbank, den Mindestkurs aufzuheben. Damit habe die SNB «die Jagd der Devisenspekulanten» wieder eröffnet. Alleva nannte einige Beispiele von Firmen, die kürzlich die Arbeitszeit erhöht, die Löhne gesenkt oder Mitarbeiter entlassen haben. «Nein, wir wollen euren totalen Markt nicht», rief sie auf den Marktplatz hinaus. Der krasse Fehlentscheid der Nationalbank müsse schleunigst rückgängig viel mehr Leute arbeitslos, betonte Alleva und forderte die Einführung einer Kapitaltransaktionssteuer. Eine Umverteilung sei dringend nötig, denn in der Schweiz kämen zwei Prozent Superreiche auf gleich viel Vermögen wie der Rest der Bevölkerung.
Mustafa Atici, SP-Grossrat und Nationalratskandidat, kritisierte, dass ausländische Arbeitskräfte immer noch ausgegrenzt würden. Dies sei einer Nation, wo gemäss einer aktuellen Umfrage die glücklichsten Menschen der Welt leben, unwürdig. «Ausgrenzung und mangelnde Solidarität verletzen nicht nur die Würde der Betroffenen, sondern schaden der ganzen Gesellschaft», sagte der Politiker mit türkischen Wurzeln. Klar und deutlich sprach sich Atici gegen die Wiedereinführung des Saisonnierstatuts aus. Er werde auch nicht dulden, dass Gesamtarbeitsverträge infrage gestellt würden.